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Cornelia Essners differenzierte Luschan-Biografie liefert eine historische Basis für gegenwärtige postkoloniale Debatten ...
Diese erste Biographie über den Anthropologen, Ethnologen und Archäologen Felix von Luschan zeichnet ein anderes Bild als der jüngst erschienene Film „Der vermessene Mensch“, in dem Luschan (dort Professor von Waldstätten) als unüberbietbarer zynischer Rassist und skrupelloser Schädelsammler eine Hauptrolle spielt. Denn (die) Geschichte ist viel komplizierter. Vor allem war Luschan ein heftiger Gegner des Antisemitismus, und zu seinen Anthropologie-Studenten zählten einige bekannte Zionisten. Um 1900 begann sich in Deutschland ein Rassismus zu entwicklen, der weniger auf die Hierarchie zwischen „weißen“ und (kolonialisierten) nicht-weißen „Rassen“ abzielte als auf die Hierarchie innereuropäischer und innerdeutschen „Rassen“. Luschan bekämpfte jene nordische Rassenlehre, die innerhalb der „Rassenmischung“ des deutschen Volkes eine mythische „nordische Rasse“ verherrlichte, deren Hochzüchtung dann Programm des NS- Regimes wurde.
Das Buch umfasst vier Kapitel. Ein Kapitel untersucht die Ziele (Entstehung und Verbreitung des Menschen in Raum und Zeit) und Methoden (Datengewinnung vor allem anhand von Schädeln) der physischen Anthropologie, wobei auch Luschans Rolle bei der Untersuchung von Kriegsgefangenen 1916/1917 nicht ausgespart wird. Zwei weitere Kapitel sind dem Alltag gewidmet. Zum einen das alltägliche Leben eines Gelehrten, von den Kontroversen mit den Kollegen bis hin zu den Alltagssorgen während der Hyperinflation im Jahr 1923. Zum anderen der Alltag der archäologischen Ausgrabungen in Sendschirli (heutige Türkei), an der auch Luschans Frau Emma teilnahm. Zwei Osmanen werden besonders lebendig: Hamdy Bey, der Leiter der osmanischen Museumsverwaltung, von dessen Wohlwollen der Erfolg jeder Ausgrabung abhing, und Hassan Bey, mit dem Luschan eine lebenslange Freundschaft verband, der unersetzlich für die tagtägliche Organisation des Archäologen war. Das letzte Kapitel behandelt Luschan als Kolonialist und Eugeniker, aber eben auch als Gegner von Antisemitismus und nordischer Rassenlehre, was sich beispielhaft in seinem populärwissenschaftlichen (und einzigem größeren) Buch „Rassen, Völker, Sprachen“ von 1922 zeigt.
Der Stil der Autorin ist trotz der oft komplizierten Sachlage (z.B. Darstellung des heute schwer verständlichen rassentheoretischen Diskurses) sehr lebendig und bisweilen amüsant, da Briefe die Grundlage des Buches darstellen.
Pressestimmen:
Die Ethnografisch-Archäologische Zeitschrift (EAZ) dankt der Autorin für ihre differenzierte, kenntnisreiche und systematische Darstellung:
https://www.eaz-journal.org/index.php/eaz/article/view/1307/1295
"Essner hat eine sehr lebendige, gut lesbare und informative Biografie über den Anthropologen und Archäologen Felix von Luschan vorgelegt, welche hoffentlich die wissenschaftliche Erforschung dieser beiden Disziplinen und ihrer Vertreter befeuern wird." (Ingo Löppenberg, in: Das Historisch-Politische Buch, Jahrgang 72, Heft 1 – 2)
#Dekolonisierung, kultureller Imperialismus, Rassismus, Eurozentrismus, Ausbeutung, Entfremdung, Reparationen, Identitätspolitik, kritische Geschichtsschreibung, Neokolonialismus, kulturelle Aneignung, kultureller Widerstand, soziale Ungleichheit, kulturelle Hybridität, Sprachpolitik, Subalternität, Neokolonialismus, Globaler Süden, Orientalismus, kritische Theorie
Cornelia Essner
Cornelia Essner ist habilitierte Historikerin und unterrichtete an verschiedenen deutschen und französischen Universitäten. Sie ist Autorin zahlreicher Publikationen zur Wissenschafts- und Kolonialgeschichte sowie zum Nationalsozialismus, inbesondere zu den „Nürnberger Gesetzen“. Sie lebt in Berlin.
Foto: Peter Rauh
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